Mittwoch, 13. Juni 2007

Schneid dir die Haare bevor du verpennst

Ich kann mich noch ziemlich genau daran erinnern, wie ich einmal mit meiner Mutter irgend eine Sendung auf MTV geschaut habe und ein Video von den Sex Pistols lief. Ich habe damals irgend etwas in der Richtung „ich find Punk blöd, weil das is mir irgendwie zu chaotisch und unübersichtlich.“ gesagt. Ich kann mich auch erinnern, dass meine Mutter das wahnsinnig erstaunte.

Eineinhalb Jahre später bin ich nur noch in Anzügen rumgelaufen, die in ihrer Zusammenstellung mehr als bunt waren, und habe dazu grellfarbene Krawatten mit ziemlich bizarren Mustern getragen. Ohne die akkurat angestochene Sammlung von Badges am Jeackette bin ich natürlich keine zehn Zentimeter vor die Tür gegangen und mindestens zwei Stunden am Tag habe ich meine Zeit damit verbracht, Fehlfarben zu hören und anzubeten.
Irgendwie habe ich es immer geschafft durch meinen „Style“ und meinen Musikgeschmack sowohl von Punks, als auch von Alternativlingen und Mainstream-Irgendwaslern seltsam gefunden zu werden und nirgends dazuzugehören. Auch wenn ich dabei immer den faden Beigeschmack des cliquenlos Seins ertragen musste war das doch immer ein Beweis für mich dafür, dass ich den wahren Punk lebe und dafür, dass ich keiner der blinden Mitläufer bin, die sich alle selbst für ihre eigene Individualität liebten.
Ich meine, Hey! Ich hatte nicht mal Chucks, aber ich habe trotzdem „anders“ ausgesehen und ich habe genug Musik gehört, die meiner Unzufriedenheit Ausdruck verliehen hat ohne mir immer nur dasselbe Geschrammel anzuhören, neben dem übers Saufen oder den verfickten Bullenstaat gesungen wird.

Zu dieser Zeit habe ich all die Jugendlichen, die sich Punks schimpften, weil sie grüne Haare hatten und sich an der Konstabler Wache Geld für Alkohol zusammenschnorrten verachtet. Von denen, die Punks sein wollten, nur weil sie die Toten Hosen gehört haben will ich gar nicht erst anfangen. Was mir ermöglicht hat, diese phasenweise ziemlich einsame Zeit zu überleben, in der auch das für den pubertierenden archetypische unverstanden Fühlen weit ausgeprägter war als es vielleicht gesunderweise der Fall sein sollte, war mein immerwährender Stolz, dank dem ich mich als tapferen Einzelkämpfer gesehen habe, der in jeder Hinsicht einfach viel besser war als all die dämlichen Lemminge, die sich in irgendwelche Uniformen schmissen, um sich so die Beachtung von „gleichgesinnten“ zu erkämpfen (Ich muss im Nachhinein aber auch zugeben, dass das Lesen vom ‚Steppenwolf’ wohl auch seinen Teil dazu beigetragen hat).

Als ich es nach langem Kämpfen und Bemühen geschafft hatte, mich so langsam in mein Umfeld einzugliedern, hat es Jahre gedauert, diese elitäre Haltung Allem und Jedem gegenüber abzulegen und auch heute noch erwische ich mich des Öfteren dabei, Menschen, die irgend einer Subkultur anhängen, mit einer gewissen verächtlichen Arroganz gegenüberzustehen.

Doch auch wenn ich mir das Ganze Gehabe immer noch nicht gänzlich abtrainiert habe, weiß ich mittlerweile, dass all dies ziemlicher Blödsinn war und in Oberflächlichkeit der Ansicht in nichts nachsteht, dass jemand ein schlechter Mensch ist, weil er z.B. Nirvana nicht kennt oder sogar nicht gut findet. Abgesehen davon glaube ich, dass es gut und richtig ist, sich jemandem anschließen zu können, um dem Übel der Welt, dass beim Erwachsenwerden über einen hereinbricht nicht ganz alleine gegenüber zu stehen. Und weil wohl nicht jeder mit dem Stolz ausgestattet ist, den ich damals an den Tag gelegt habe, würden wohl viele die grausame und harte Zeit der Pubertät wohl mehr schlecht als recht überstehen, hätten sie nicht den Anschluss an etliche andere Punks, Emos oder Hip-Hopper und würden das, was meine Mutter mal als subversive Energie bezeichnet hat, nicht in den immerwährenden Drang investieren, sich selbst zu finden, sondern sich in Dinge wie Selbstzerstörung flüchten, im krassesten Falle Amokläufe starten oder gar selbstmitleiderfüllte Gedichte verfassen, die sich nicht reimen (was ja wohl das Schlimmste überhaupt ist).

Ich meine, alle Leute, zu denen ich früher Kontakt pflegte, die so waren, sind mittlerweile Junkies oder haben sich im Laufe weniger Jahre total blöd gesoffen. Und das waren nicht nur Landeier und Prolls...

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